Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Thema Antidiskriminierung scheint nun auch bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU und FDP angekommen zu sein. Hurra! Ich verrate der Koalition kein Geheimnis, aber für alle Kolleginnen noch einmal zur Erinnerung: Berlin hat in seiner Vielfalt viele marginalisierte und vulnerable Gruppen. Rassistische, antisemitische, queerfeindliche und frauenfeindliche Hassdelikte sind Kriminalität, die wir gemeinsam bekämpfen müssen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU- und FDP-Fraktion, herzlich willkommen auf der guten Seite! Willkommen im Jahr 2022!
Das Problem erkannt zu haben, ist das eine. Die glaubwürdige Präsentation adäquater Vorschläge eine vollkommen andere Sache. So bleiben Sie etwa zum von der Koalition beschlossenen Vorhaben eines Landesgesetzes zur Prävention von Gewalt und Kriminalität merkwürdig still. Dabei könnte genau dieses Gesetz eine rechtssichere Grundlage für die Zusammenarbeit staatlicher und zivilgesellschaftlicher Stellen bieten. Eines ist klar: Grund- und Freiheitsrechte müssen auch bei der Präventionsarbeit gewahrt werden – allen voran die Rechte der Opfer, aber auch die der Beschuldigten. Das ist in einem Rechtsstaat selbstverständlich.
Wenn hier Bedenken in Bezug auf die bisherige Praxis bestehen, dann müssen und werden wir sie ausräumen. Ich verstehe auch nicht, dass die Polizei Daten im Rahmen von Pressestatements über Vorfälle und Straftaten veröffentlichen kann, aber nicht anonymisiert an Recherchestellen und Opferschutzverbände weitergeben darf.
In dieser wie auch der letzten Legislatur war es die rot-grün-rote Koalition, die sich glaubwürdig für Antisemitismusbekämpfung und für die Unterstützung von Antidiskriminierungsprojekten eingesetzt hat. Wir haben Budgets bereitgestellt und strukturell nachgesteuert, um die Arbeit der Träger zu ermöglichen und zu erleichtern. Maneo und die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin – RIAS – leisten wie alle anderen Registerstellen einen wichtigen Beitrag für die Präventionsarbeit. Wir unterstützen die unabdingbare und wertvolle Arbeit von Dokumentations- und Registerstellen und Opferschutzverbänden, also auch von ReachOut, Proaktiv und NOAH, der Servicestelle für Betroffene von Straftaten und der Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe.
Erfolgreiche gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention geht aber nur mit Nachhaltigkeit. Wir wollen im Vorfeld der Entstehung von Gewalt ansetzen und in Familien, Kitas, Grundschulen, Schulen, an Arbeitsplätzen, in Sportvereinen, in allen relevanten Sozialräumen wichtige Antidiskriminierungsarbeit leisten. Aufklärung und Wissen sind der wichtigste Datentransfer gegen Angst und Hass in unserer Gesellschaft. Solange Sie Aufklärungs- und Beratungsmaterial, beispielsweise Broschüren zu Trans- und Intergeschlechtlichkeit als „linksgrüne Ideologiedröhnung“ und Frühsexualisierung verhöhnen, fördern Sie Tabus, machen Betroffene zu Aussätzigen und damit zu Opfern.
Solange Sie die Forschung zu antimuslimischem Rassismus als unwissenschaftlich diffamieren, „Kopftuchaktivismus“ als gängiges Konzept in Ihren Reihen dulden und zukünftig wieder in den Haushaltsberatungen die Mittel für zum Beispiel die Arbeit des LADS kürzen wollen, sind Sie als Partnerinnen und Partner im Kampf gegen Antisemitismus und Diskriminierung nicht glaubwürdig. Unter anderem wegen solcher Kampagnen und Aktionen kann ich Ihnen Ihren Einsatz an dieser Stelle noch nicht abnehmen.
Das Anliegen, den Opferschutzverbänden Zugang zu den anonymisierten polizeilichen Erkenntnissen zu verschaffen, ist richtig. Ich darf das an dieser Stelle noch einmal transparent machen: Darauf hatten wir uns bereits interfraktionell im Anschluss an die von der Koalition beantragte Anhörung im Innenausschuss verständigt. In jener interfraktionellen Runde hatten wir als Koalitionsfraktionen signalisiert, einen gemeinsamen Antrag stellen zu wollen. Statt mit einem gemeinsamen, ausgereiften Antrag haben wir uns nun mit einem Schaufensterschnellschuss beschäftigen müssen. Sehr schade!
Als Koalition werden wir uns jedenfalls auch in Zukunft für eine ehrliche Lösung und aufrichtige Antidiskriminierungsarbeit einsetzen. – Vielen Dank!