Gestern fragte mich Andreas Otto, mein Kollege und Wahlkreisnachbar von der gegenüberliegenden Seite der Bösebrücke, welche Erinnerung ich an den Mauerfall habe. Eigentlich nur die vom Nachbarsjungen Michael, der Böller warf. Ich hatte wohl verstanden, dass das nicht die übliche Zeit für Feuerwerk und Böller war. Wirklich verstanden habe ich die Bedeutung des Mauerfalls erst später, gefühlt habe ich sie vermutlich nie wirklich.
Wie mir ging und geht es vielen migrantisierten Menschen, die auch da – also irgendwo in Deutschland – waren, als die Mauer fiel. Teil hatten sie aber nicht an der großen Euphorie, die alle überkam. Und auch in der weiteren Erinnerungskultur bleibt ihre Perspektive weithin unbeachtet. Oft bleibt sogar die Perspektive von Ost-Berliner:innen und Ost-Deutschen im Ungefähren und geht im Freudentaumel, dem beinahe ganz Deutschland zum Mauerfall und besonders zum Einheitstag performativ erliegt, unter.
Auch gerade deshalb wollten wir an einem so besonderen Ort wie der Bösebrücke, wo sich der ehemalige Grenzübergang Bornholmer Straße befand, einen Austausch starten. Einen Austausch mit migrantisierten Wedding und Berliner:innen und Berliner:innen mit Ost-Biografie – ganz schlicht über ihre Sicht auf den Mauerfall. So brachten wir den migrantischen Gesundbrunnen mit dem Ost-Berliner Prenzlauerberg zusammen, um über sich zu sprechen und die West-Deutschen, über das „Benannt-werden“, Sicht- und Unsichtbarkeit, Teilhabe, Sprachlosigkeit, Rassismus und Diskriminierung. „Schicksal statt Schlagzeile – Schattenseiten des Mauerfalls“ lautete der Titel – ganz so schwarzmalerisch war es nicht, wohl aber persönlich und empathisch.
Moderiert von Jana Hensel entspann sich ein sehr persönliches Gespräch zwischen dem stv. Vorsitzenden des Berliner Fußballverbands bfv, der Weddinger Autorin Nadire Biskin, meinem Pankower Abgeordnetenkollegen Andreas Otto und dem Sozialforscher Daniel Kubiak von der Humboldt Universität Berlin, der wir alle gespannt folgten. Danke allen für die Perspektiven und die anregenden Gedanken.