Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen. Kaum ein Sprichwort, das Berlin besser beschreiben könnte! Keine andere Stadt hat nach dem Fall des Eisernen Vorhangs so sehr von der Digitalisierung, den Vorzügen und dem Nutzen der digitalen Revolution profitiert wie unsere durch Krieg und Misswirtschaft industriell marginalisierte Stadt.
Aus diesen Ruinen ist ein sehr reales Second Life auferstanden. Mehr als jeder zweite hierzulande von Investorinnen und Investoren bereitgestellte Euro fließt mittlerweile in Berliner Start-ups. Berlin ist längst der Anziehungspunkt für Menschen aus aller Welt und gilt als eine Art progressiver Digital Hub, ja sogar als Safe Haven für intellektuelle, aber eben auch kreative Umtriebigkeit, und das nicht nur für die Bubble der Plattformen und Internetkonzerne.
Ideenreich, diskriminierungssensibel, optimistisch, progressiv, wachsam und wirtschaftlich erfolgreich – wir leben den Traum. Und doch ist klar: Zu jedem Start-up-Erfolg gehören auch mindestens fünf Fuck-up-Storys, zu jedem Exit etliche Existenzsicherungsmaßnahmen und auch mal der Gang zum Jobcenter.
In der letzten Wahlperiode hat diese Koalition unter Grüner Federführung für die Digitalisierung entscheidende Schritte unternommen. Gerade gestern noch konnten wir uns im Ausschuss für Digitalisierung und Datenschutz mit dem Ausbau der Breitbandversorgung beschäftigen und zu der Erkenntnis gelangen, dass die 2021 beschlossene Gigabitstrategie des Senats nicht mehr nur ein Apfelkern ist, sondern längst zu einem Baum geworden ist, der nunmehr Früchte trägt. Jetzt gilt es, die bestehenden Versorgungslücken zu schließen.
Keine digitalwirtschaftspolitische Rede ohne Krisenkontext! Wir haben in dieser Zeit der Stapelkrisen gelernt, dass der Klimawandel einen Bewusstseinswandel, auch bezüglich der digitalen Infrastruktur, erfordert. Um es konkreter zu machen: Die mit dem Klimawandel einhergehenden Krisen, gerade auch die Rohstoffkrise, machen unsere Gesellschaft in den Grundfesten angreifbar. Darauf müssen wir reagieren.
Ich sehe zwei Handlungsfelder. Wer sichere Infrastruktur will, der darf sie nicht an wenigen Großstandorten konzentrieren. Wir brauchen eine feine Netztopografie aus Glasfasersträngen, die regional gut verteilte leistungsfähige Knoten verbinden. Und es versteht sich von selbst, dass Berlin ein größerer dieser Knoten sein wird. Die Begründung liegt auf der Hand. Dafür braucht man nicht mal nur an eine Flutkatastrophe wie die im Ahrtal 2021 zu denken, bei der auch die gesamte digitale Infrastruktur weggespült wurde. Zu wenige Stränge und Knoten können zentrale Dienste durch wortwörtlich wenige Scherenschnitte lahmlegen.
Zweitens – wir müssen den Ausbau von der Frage der Effizienz her denken. Der Flächen- und Energiehunger durch bedenkenlos aufgebaute ineffiziente Serverfarmen kann enorm sein. Die Stadt Frankfurt am Main beispielsweise kämpft derzeit als einer der zwei Megahotspots unseres Kontinents gegen die sich erbarmungslos ansiedelnden Rechenzentren. Diese beanspruchen jedes Jahr weitere 7 Hektar Fläche in oft zentralen Lagen. Übrigens ist es dort die FDP-Fraktion, die am lautesten nach Regulierung ruft. Kluge Flächenauswahl statt Wildwuchs! Diese Anlagen, die ohne Publikumsverkehr auskommen, dürfen auch in Berlin nicht den Todesstoß für Kieze oder Einkaufsstraßen bedeuten.
Die neue Bundesregierung hat das Problem erkannt. Sie will Rechenzentren in Deutschland gesetzlich auf Stadtverträglichkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausrichten, unter anderem durch Nutzung der Abwärme. Deshalb: Ja, wir wollen unsere Region als Infrastrukturstandort auch für Rechenzentren profilieren. Dass das Erfolg haben kann, hat etwa die Ansiedlung der Google-Cloud in der Region Berlin-Brandenburg im vergangenen Jahr gezeigt.
Machen Sie sich keine Sorgen, liebe Kolleginnen der FDP! Die Koalition bringt den nötigen Willen mit und übrigens auch die nötige Digitalkompetenz. Im Cloud-Computing-Sprech, der Ihnen vielleicht bekannt ist, würden wir von „Government as a Service“ sprechen. Ich freue mich in jedem Fall über die fachliche Debatte im Ausschuss. – Herzlichen Dank!