Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Roadmap in ein neues Zeitalter – KI-Governance für Berlin vorlegen“

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als zu Beginn des letzten Jahrhunderts der Computerpionier Konrad Zuse in seinem Kreuzberger Elternhaus den Z3 erfindet, ahnt kaum jemand, dass es gigantische 40, 60, 80 Jahre dauern wird, bis die gesamte Gesellschaft die ersten Schritte ins digitale Informationszeitalter vollzogen haben wird. Eine echte Mehrgenerationenaufgabe! Der nächste Schritt, der ins Zeitalter der künstlichen Intelligenz, wird uns diese Zeit nicht geben. Beinahe wöchentlich werden in diesem Bereich – auch gerade mit dem Aufkommen großer Sprachmodelle und generativer KI – schwindelerregende Innovationssprünge gemacht. Noch vor fünf Jahren sprachen wir über künstliche Intelligenz als Euphemismus: Die größte Gefahr sei es, zu viel von dieser Technologie zu erwarten, hieß es. Jetzt sind generative KI-Modelle bereits in der Lage, selbstständig den eigenen Quellcode zu optimieren. Und ja, es ist faszinierend, wie in Sekundenschnelle, binnen Mausklicks, Informationen nicht nur reproduziert, sondern neu kombiniert werden: zu Musikstücken, Bildern, Planzeichnungen – und wahrscheinlich auch zu politischen Reden.

Neben all der Euphorie werden aber auch Appelle laut, die Kontrolle über die Technologie zu behalten. Warnungen vor einem Oppenheimer-Moment machen die Runde. Regelwerke wie der dieser Tage in Kraft tretende AI Act der EU, aber auch der vorliegende Antrag meiner Fraktion adressieren genau diese Unsicherheiten. Es sind politische, gesellschaftliche und eben auch moralische Fragen, die zu klären sind. Jetzt ist die Gelegenheit, noch vor der riesigen Welle zügig und doch durchdacht politische Weichen zu stellen.

Diese Weichen brauchen Sie für den gesamten Senat und nicht nur für einzelne Ressorts. Es kann nicht sein, dass der Senat selbst nicht weiß, was in den einzelnen Verwaltungen in Sachen KI passiert. So viele weiße Flecken der Unverantwortlichkeit können Sie sich gar nicht leisten – nicht Sie, nicht wir.

Seit 2023 ist der AI Act in der Schlusskurve seiner Gesetzgebung. Er fällt doch nicht vom Himmel! Schwieriger noch: Er bringt Sie von jetzt auf gleich in die Pflicht, KI zu fördern, die Zivilgesellschaft zu unterstützen und technologische Risiken zu klassifizieren. Ja, 2026 enden einige Übergangsfristen, aber mit dem Mythos, er gelte dann erst, muss ich hier und jetzt aufräumen. Es ist eine Verordnung; die gilt sofort. Da sind Sie leider blank.

Bringen Sie zusammen, was Sie in Sachen KI schon tun! Schließen Sie offene Flecken! Legen Sie zu bei Technologietransfer und industrieller Wertschöpfung auf Basis KI-gestützter Anwendungen! Nehmen Sie die Wirtschaft mit in die Verantwortung und schärfen Sie so Ihren holistischen Blick für eine KI-Governance. Haben Sie die Finanzierung von KI-Start-ups in der späten Wachstumsphase im Blick! Entwickeln Sie Piloten in der Verwaltung – nicht zur Ablösung der Schreibmaschinen oder gar der Menschen, sondern zur Ablösung stupider Tätigkeiten. Wie viele liegen gebliebene Verwaltungsaufgaben und damit Potenziale es für KI gibt? – Unendlich viele! Viele konventionelle Ausschreibungen für die Verwaltung zielen auf veraltete Systeme. Nutzen Sie den erweiterten EU-Rechtsrahmen für technologiefördernde Ausschreibungen und bringen Sie die Berliner Verwaltung endlich nach vorne!

Berlin kann nie dauerhaft Schaufenster des Neuen werden, wenn Sie hier nicht grundlegend neu denken und neue Maßstäbe setzen.

Aber, Achtung: Nicht Buzz, sondern Substanz ist die Devise. Holen Sie auch diejenigen ins Boot, die sich durch KI bedroht sehen, denn selbstverständlich stellen sich existenzielle Fragen. Was wird aus mir als Dolmetscherin oder Callcenterberater? Bin ich neuen Herausforderungen der Arbeitswelt gewachsen? Auf welchen Datengrundlagen werden KI-Systeme von wem entwickelt? Welche Diskriminierungsformen werden dadurch reproduziert? Wer schützt mich als Kreative vor der ungefragten Übernahme meines Werks, vor allen Dingen als KI-Trainingsmaterial? Wohin fließt die Wertschöpfung, wenn KI allein und unkontrolliert von großen Playern der Digitalwirtschaft gefördert, ausgeschöpft und implementiert wird?

Mein wichtigstes Mantra bleibt die Forderung nach Kohärenz. Alle Teile Ihres Handelns in Bezug auf KI – ob es um Innovation, kulturelle Anwendungsfälle, Kriminalitätsbekämpfung, den KI-Hub, um Schulen oder die Digitalagentur geht – müssen logisch zueinander passen. Sie können nicht nur aufeinander abgestimmt sein, sondern müssen einzahlen in ein kohärentes System. Denn eines ist klar: Verwalten können werden Sie die KI nicht. Sie müssen sie gestalten – heute! – Vielen Dank!