Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
„Wirtschaft unter Stress“: So lautet der aktuelle Konjunkturbericht der Investitionsbank Berlin. Vielleicht ist damit der Stress gemeint, den das Eilen von Erfolg zu Erfolg verursacht. Denn Sie werden sehen, auch in dieser Aktuellen Stunde werden sich die Erfolgsmeldungen und Superlative von Senat und Koalition geradezu überschlagen.
Aber im Ernst: Ich will nicht kleinreden, was etwa mit der Ansiedlung der GITEX gelungen ist, dass die wirtschaftliche Dynamik teils exzellent ist, zum Beispiel in der Branche IKT mit 3,2 Prozent Zuwachs an Bruttowertschöpfung – Chapeau! Und klar sagt es etwas über Berlin aus, dass die Wirtschaft hier nun schon zwölf Jahre in Folge stärker wächst als im Bundesschnitt. Allein Berlins Wirtschaftspolitik wächst, wenn überhaupt, in die entgegengesetzte Richtung.
Es würde den Stress für die Wirtschaft merklich reduzieren, würden wir wieder mehr Ehrlichkeit und Transparenz walten lassen. Ich beginne mal mit dem Realitycheck, Sie ergänzen später: Über dem Bundesdurchschnitt ist nicht nur das Wachstum, sondern auch die Arbeitslosenquote. In Berlin lag sie im April 2025 bei 10,2 Prozent, bei einem Bundesschnitt von 6 Prozent. Beim Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt Berlin im Ländervergleich mit 0,4 Prozent nur noch an elfter Stelle. Im Bereich der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse liegt Berlin im Bundesvergleich im unteren Drittel, während überall Fachkräfte fehlen.
Aber bleiben wir doch beim Konjunkturbericht der IBB: Die Berliner Wirtschaft steht 2025 vor enormen Risiken durch Haushaltskürzungen, heißt es da. Als besonders kritisch wird der Investitionsbedarf in die Infrastruktur gesehen. Rund 108 Milliarden Euro müssten zusätzlich in die Sanierung und Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur fließen, damit Straßen, Schienen, Brücken, Schulen, Wasser- und Wärmenetze nicht sukzessive zusammenbrechen. Von einer Politik, die privatwirtschaftliche Investitionen anregt, die dafür sorgt, dass Kapazitäten für diese Vorhaben geschaffen werden, sind wir weit entfernt. Stattdessen: Schrumpfungssignale in genau diesen Branchen. Aus sparen, bis es quietscht, wurde jetzt sparen, bis es bröckelt. Vom eigenen Investitionspaket ist schon lange keine Rede mehr. Wie Sie diesen Investitionsstau stattdessen auflösen wollen? – Ungewiss.
Noch ärgerlicher ist der Blick direkt in den Maschinenraum der Förderpolitik: Die gewerbliche GRW blieb 2024 mit einem Bewilligungsvolumen von rund 55 Millionen Euro deutlich unter dem Ziel von 100 Millionen Euro. Ursache ist auch die haushaltsbedingte Mittelbereitstellung. Viele werden sich jetzt denken: Eilt die Senatorin nicht gerade in Sachen GRW-Förderung von Erfolg zu Erfolg? – Der Satz, den ich gerade vorgelesen habe, stammt nicht von mir. Der stammt aus Ihrem eigenen Bericht an den Hauptausschuss. 36 Prozent der Potenziale für Investitionen sind hier ungenutzt geblieben, ausgerechnet bei der gewerblichen GRW mit ihrer riesigen Hebelwirkung.
Und es geht weiter: Der sehr populäre Gründungsbonus war für Neuaufträge ebenso geschlossen wie der darauf aufgesetzte Gründerinnenbonus. Ein Jahr ohne Gründungsförderung! Das steht auch in diesem Bericht von Ihnen. Fördermittel wurden umgewidmet, gesperrt, verzögert oder intransparent verschleiert. Bei den Gründerinnen und Gründern gab es viele fragende Gesichter. Null Transparenz oder Information! Wieso wird diese selbst gebaute Rufschädigung in Kauf genommen?
Was wir jetzt dringend brauchen, ist ein echtes Commitment für Transformation – sozial, ökologisch, digital –, gezielte und massive Investitionen in die Zukunftsfähigkeit dieser Stadt, eine Innovationspolitik, die soziales Gemeinwohl mit technologischer Exzellenz verbindet, und – ganz wichtig – ein ehrlicher Umgang mit Zahlen, Herausforderungen und Zielkonflikten.
Wer alles schönredet, macht sich am Ende der Probleme blind. Das können wir nicht wollen. Wir stehen für eine Wirtschaftspolitik, die Zukunft denkt, für eine Förderung, die nicht bei der Ankündigung endet, für eine Politik, die Talente nicht auf Zahlen reduziert, sondern Hebel für jede Hand, jeden Kopf und jede Idee schafft. Wenn die Koalition bereit ist, diesen Weg zu gehen, stehen wir an ihrer Seite, wenn nicht, schauen wir weiter ganz genau hin.
Vielen Dank!