Startupförderung weiterentwickeln – Zukunftspotentiale heben

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Gründer wählen grün! Wirtschaft wählt Klimaschutz! Die Grünen sind die neue Start-up-Partei.

So lauteten einige der Schlagzeilen im vergangenen Wahlkampf – zu Recht, darf ich anmerken. Was mancherorts als Effekt eines vorübergehenden Nachhaltigkeitstrends in Abrede gestellt wurde, ist jetzt die bittere Pille für die FDP: Digitalisierung first, Bedenken second – und Sie sind nur noch third, wenn in der Digitalwirtschaft Parteipräferenzen abgefragt werden. Das ist nämlich die Realität.

Die ehemalige Selbstverständlichkeit der sogenannten Unternehmerpartei FDP ist längst passé. Das haben Sie auch verstanden, nur tun Sie sich mit dem Rezept dagegen schwer. Das zeigt auch Ihr missglückter Schaufensterantrag, der weder Ihnen noch Ihrem Anliegen zuträglich ist.

Berlin ist Start-up-Hauptstadt und Zentrum von Innovation und Nachhaltigkeit. Spricht man mit Gründerinnen und Gründern – anders als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – bekommt man eine Ahnung davon, was Innovation in Berlin tatsächlich bedeutet. Die grundlegende Transformation bestehender Branchen, die erfolgreiche wirtschaftliche Spezialisierung auf beispielsweise Künstliche Intelligenz sowie die Entwicklung von Cloud-Computing-Geschäftsmodellen sind einige der Bausteine von Innovation in Berlin.

Innovativ ist aber auch das Start-up-Geschäftsmodell selbst: Organisationsentwicklung nach Kriterien wie Sinnhaftigkeit, das visionäre Selbstverständnis und das Streben nach Gemeinwohl. Überall im Start-up-Kosmos finden sich Spuren der Sehnsucht nach einem neuen Wirtschaften – einem, das die Verknüpfung von Technologie und Verantwortung im Blick hat und den Fokus auf den sogenannten Faktor Mensch legt. Das ist nämlich Innovation.

Die Start-up-Szene beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob und wie sinnvoll die sozial-ökologische Transformation ist. Sie beschäftigt sich längst mit kreativen Wegen, wie diese Transformation möglichst bald und möglichst sauber finanziert werden kann. So werden mehr Impact-Fonds zur Unterstützung von Geschäftsmodellen gefordert, die eine konkret messbare Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft haben sollen – keine Augenwischerei, kein Strohfeuer, keine Gießkanne, sondern nachhaltiges, verantwortungsbewusstes Wirtschaften, das die Endlichkeit der Ressourcen und die Gerechtigkeit für nachkommende Generationen fest im Blick hat.

So sieht nämlich unsere Gründerszene aus – Sie kennen sie offensichtlich nur noch nicht.

Erst kürzlich wurde aus dem Wirtschaftssenat vermeldet, Berlin setze die erfolgreichen Wagniskapitalfonds zur Förderung von Berliner Start-up-Unternehmen fort. Die Förderung in frühen Unternehmensphasen soll Finanzierungsprobleme gerade in kapitalintensiven technologiebasierten Start-ups sicherstellen. Und siehe da: Es gibt einen neuen Impact-Wagniskapitalfonds. Sozialökologische Innovationen sind nämlich die modernen Impulse für Wohlstand.

Gründerinnen und Gründer, die heute eine sozial-ökologische Sinnhaftigkeit in ihrem Wirtschaften sehen wollen, fordern keine Förderprogramme und Kapitalflüsse aus der Gießkanne. Sie fordern, dass die Förderung zurückgezahlt wird, sodass Fördertöpfe für andere bereitstehen. So sieht nämlich Verantwortung aus.

Die FDP fordert in ihrem Antrag innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und marktorientierte Förderprogramme für Start-ups – die es ja bereits gibt – und setzt dann an, die Förderung von Geschäftsmodellinnovationen zu fordern, womit Start-ups wiederum nicht gemeint sind. Sie scheinen auch nicht zu wissen, dass Skalierbarkeit längst zu den gängigen Kriterien für Wagniskapitalgeberinnen und -geber sowie von Förderprogrammen gehört. Sei’s drum – der Wille zählt.

Die Koalition indes hat beschlossen, die Start-up-Agenda weiterzuentwickeln und sie mit bestehenden Strategien und Bestandsunternehmen zu verzahnen. Auch die Start-up-Map werden wir als Monitoringinstrument fortsetzen und mehr Gründerinnen und Gründer im fruchtbaren Start-up-Ökosystem von Berlin unterstützen.

Das Wichtigste ist: Anders als Sie werden wir weiter zuhören, aufnehmen und die Wirtschaftsprogramme tatsächlich bedarfsgerecht weiterentwickeln.

Die Start-up-Szene hat die FDP aufgegeben – die FDP die Start-ups nicht. Helfen Sie mir doch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Wie war der Slogan noch?

„Nie gab es mehr zu tun. #vielzutun“

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld: Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wolf? Tuba Bozkurt (GRÜNE): Nein. Vizepräsidentin Cornelia Seibeld: Dann hat Kollege Wolf die Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung. (Tuba Bozkurt) Abgeordnetenhaus von Berlin 19. Wahlperiode Seite 717 Plenarprotokoll 19/10 7. April 2022 Christian Wolf (FDP): Vielen Dank! – Frau Bozkurt! Wir kennen uns ja schon aus verschiedenen Vorgesprächen, [Oh! von der CDU] Sie wissen ganz genau, dass wir mit den Unternehmen sprechen. Wenn Sie nur mit grünen Start-ups sprechen, dann tut mir das leid; wir können gern mal gemeinsam eine Unternehmenstour machen, bei der Sie auch andere Start-ups kennenlernen. Ganz ehrlich: Der Innovationsbegriff ist eben nicht nur technologisch, sondern das Thema Geschäftsmodellinnovation ist in der Wissenschaft schon angekommen, nur eben nicht in den Förderprogrammen. [Beifall bei der FDP – Beifall von Stefan Evers (CDU)] Wenn man mit den Fondsmanagern der IBB Ventures, früher IBB Beteiligungsgesellschaft, spricht, dann hat man das Gefühl, dass das dort noch nicht angekommen ist. Geschäftsmodellinnovationen sind ein relevanter Faktor, und das können natürlich auch soziale, nachhaltige Start-ups sein. Wenn Sie jetzt den Lauf dieses Antrags sehen, der ja schon aus dem Februar kommt: Der Impact Fonds ist erst letzte Woche verkündet worden, die Anregung ist aufgegriffen worden. Es ist ja schön, dass der Senat so viel macht, aber ich sprach ja auch davon, dass es darum geht, dass wir uns auf diesen Lorbeeren, auf denen wir jetzt sitzen, nicht ausruhen können. Deshalb ist es wichtig, dass der Wettbewerb für Ideen, für Start-ups, für diese Wirtschaft immer weiter angestoßen wird, und da freue ich mich, wenn wir so eine Dynamik auch im Ausschuss entwickeln können, wie wir hier im Parlament haben. – Danke schön! [Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Gräff (CDU) und Roman Simon (CDU)] Vizepräsidentin Cornelia Seibeld: Dann hat Kollegin Bozkurt die Gelegenheit zur Erwiderung. Tuba Bozkurt (GRÜNE): Dass die FDP aus der Zeit gefallen ist, hat Kollege Wolf jetzt wieder schön demonstrieren können mit seinem Paternalismus. [Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE) – Paul Fresdorf (FDP): Oh!] Dass er mir erklären möchte, wie man mit Unternehmen spricht, und vor allen Dingen meint, mir, die ich aus der Start-up-Branche komme, erklären zu müssen, wie Startups wirklich ticken – schlechter Versuch, ist missglückt. [Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von Björn Matthias Jotzo (FDP) und Christian Wolf (FDP)] Jedenfalls: Die Ankündigung des Impact Fonds war nicht letzte Woche, die kam am 16. März, das ist ein bisschen länger her als letzte Woche. Dass der Impact Fonds Themen adressiert, die genau diese Start-ups umtreiben, liegt auf der Hand. Es gibt einen Grund, weshalb die Start-upGründerinnen und -Gründer jetzt davon sprechen, dass sie die Grünen wählen. Sie sind von Ihnen abgekommen. Sie müssen verstehen, dass es einen Grund gibt, weshalb Start-ups und neue Geschäftsmodelle nicht mehr bei Ihnen liegen, Sie nicht mehr favorisieren. Das liegt unmittelbar daran, dass wir nach Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit streben und Sie wiederum nicht. Das ist der große Unterschied, den man vielleicht noch einmal herauskehren sollte. Ja, wenn Sie das Bedürfnis haben, zu sprechen, kommen Sie gerne auf mich zu. Ich kann Ihnen noch ein paar mehr Einblicke geben, die Sie vermutlich nicht haben.